Montse Blanco

Enkeltochter eines spanischen Widerstandskämpfers

Montse und ihre Schwestern engagierten sich für die Verlegung eines Stolpersteins im Heimatdorf ihres Großvaters.
Die Arolsen Archives konnten 2018 Montses Familie ausfindig machen und die Brieftasche von Montses Großvater an sie zurückgegeben.
Erst im Jahr 2018 erfuhr Montses Familie, dass Montses Großvater in das KZ Neuengamme und später in das Außenlager Bremen-Farge deportiert worden war.
Montse und ihre Familie stammen aus dem nordspanischen Dorf Navàs. Zu Lebzeiten ihres Großvaters arbeiteten dort viele Menschen unter schlechten Bedingungen in Textilfabriken.

Montse Blanco, geb. 1967, lebt in Katalonien. Die Kulturanthropologin möchte mit der Geschichte ihres Großvaters Miquel Obradors Mas einen Eindruck vom damaligen Leben in Nordspanien vermitteln und die Folgen der Verfolgung für eine Arbeiter*innenfamilie aufzeigen.

Miquel Obradors Mas, geb. 1900, war in Navàs als Tuchmacher tätig. Er engagierte sich in einer linken Partei, die sich für die Unabhängigkeit Kataloniens einsetzte, und beteiligte sich 1934 an einem Generalstreik. Während des Spanischen Bürgerkriegs floh er vor den franquistischen Truppen nach Frankreich. Dort schloss er sich dem französischen Widerstand an und wurde von deutschen Besatzungstruppen verhaftet. Über das KZ Neuengamme kam er in das Außenlager Bremen-Farge. Sein weiteres Schicksal ist nicht bekannt.

Historischer Hintergrund

Spanischer Bürgerkrieg

Im Juli 1936 führten konservative, monarchistische und faschistische Militärs einen Putsch gegen die demokratische Regierung Spaniens durch. Die Regierung bestand aus einem Bündnis linker Organisationen und Parteien, die mit einem Teil des spanischen Heeres Widerstand gegen die Putschisten leisteten. In einigen Regionen setzten Arbeiter*innen und Gewerkschaften eine soziale Revolution in Gang, indem sie Land und Betriebe kollektivierten und selbst verwalteten. Militärische Unterstützung erhielten die Republikaner*innen von der Sowjetunion und von Mexiko sowie von zehntausenden antifaschistischen Freiwilligen. Die Putschisten unter General Francisco Franco wurden hingegen militärisch von dem faschistischen Italien und dem Deutschen Reich unterstützt. Der Bürgerkrieg endete im April 1939 mit dem Sieg Francos.

Franco-Diktatur

Mit der Machtübernahme des Diktators Francisco Franco im Jahr 1939 waren Republikaner*innen und ihre Unterstützer*innen in Spanien massiven Repressionen ausgesetzt. Franco ließ 1,5 Millionen Menschen in Konzentrationslager verschleppen und Hunderttausende ermorden. Aus Angst vor Repressionen verhielten sich viele Familien über Generationen hinweg unpolitisch. Die ersten Jahre der Diktatur waren von Hunger, Arbeitslosigkeit und internationaler Isolation geprägt. Erst Ende der 1950er Jahre setzte unter anderem aufgrund des zunehmenden Tourismus ein Wirtschaftsaufschwung ein. Eine politische Öffnung des Landes blieb allerdings aus. Trotz Widerstand und Protesten blieb Franco bis zu seinem Tod im Jahr 1975 an der Macht.

Frankreich unter deutscher Besatzung

Im Mai 1940 marschierte die Wehrmacht in Frankreich ein. Im Juni wurde daraufhin ein Waffenstillstand geschlossen und das Land geteilt: Der Norden kam unter deutsche Militärverwaltung, wohingegen der Süden zunächst souveränes französisches Staatsgebiet mit Vichy als Hauptstadt blieb. Französische Stellen kollaborierten im ganzen Land mit der Besatzungsmacht, auch bei Verhaftungen und der Deportation von über 75.000 Jüdinnen*Juden. Ab 1942 formierte sich zunehmend Widerstand, den die Besatzungstruppen brutal bekämpften. In Reaktion auf angebliche oder tatsächliche Anschläge und Widerstandsaktionen führten Wehrmacht und SS in vielen Orten Frankreichs „Vergeltungsaktionen“ gegen die Zivilbevölkerung durch. Viele Frauen und Männer wurden verhaftet, in Konzentrationslager verschleppt oder vor Ort erschossen.

Spanier*innen in deutschen Konzentrationslagern

Hunderttausende Spanier*innen flohen während des Spanischen Bürgerkrieges vor den Truppen Francos in das benachbarte Frankreich. Dort kamen viele von ihnen in Internierungslager. Ab April 1939 verpflichtete die französische Regierung männliche Asylsuchende zum Arbeitsdienst in Fremdarbeiterkompanien. Diese Kompanien unterstanden dem Militär. Tausende Spanier traten darüber hinaus der französischen Armee bei. Nach dem deutschen Überfall auf Frankreich gelangten etwa 10.000 Spanier aus den Fremdarbeiterkompanien und der französischen Armee in deutsche Kriegsgefangenschaft. Viele von ihnen wurden später in Konzentrationslager verschleppt. In den Folgejahren wurden auch Spanier*innen, die sich dem französischen Widerstand angeschlossen oder Arbeitsdienste für die deutsche Besatzungsmacht verweigert hatten, in Konzentrationslager deportiert.

Erinnerungskultur in Spanien

Nach Francos Tod im Jahr 1975 fehlte der politische Wille für eine Aufarbeitung von Bürgerkrieg und Diktatur. Im Gegenteil erließ das Parlament im Jahr 1977 ein Amnestiegesetz, das die Verfolgung franquistischer Verbrechen bis heute verhindert. Während über die Opfer des Franquismus geschwiegen wurde, blieben Namen und Symbole der Diktatur öffentlich sichtbar. Im Jahr 2000 gründete sich der Verein ARMH, der die Exhumierung von Massengräbern auf Eigeninitiative hin durchführt. Eine Neufassung des „Gesetzes zum historischen Andenken“ von 2007 verabschiedete das Parlament im Jahr 2021. Das neue Gesetz sieht unter anderem eine würdige Beisetzung der Opfer sowie zwei Gedenktage vor: den 31. Oktober zum Gedenken an die Opfer des Franquismus und den 8. Mai in Erinnerung an die ins Exil geflüchteten Spanier*innen.

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